In der Welt der Arbeitssicherheit spielt die Bradley-Kurve eine entscheidende Rolle, um den Zusammenhang zwischen Unternehmenskultur und Unfallhäufigkeit zu verstehen. Entwickelt von Berlin Bradley, einem DuPont-Mitarbeiter, bietet dieses Modell Einblicke in die Sicherheitsreife eines Unternehmens. In diesem Artikel werden wir gemeinsam in die Bradley-Kurve eintauchen, ihre Stufen besser verstehen und praktische Schritte zur Entwicklung einer guten Sicherheitskultur identifizieren.
Die Grundlagen der Bradley-Kurve
Die Bradley Kurve basiert auf der Erkenntnis, dass menschliches Verhalten einen erheblichen Einfluss auf Arbeitsunfälle hat. Sie kategorisiert Unternehmen in vier Stufen und bietet so eine Roadmap für die Entwicklung einer starken Sicherheitskultur.
Stufe 1: Reaktives Verhalten (Instinktbasierte Sicherheit)
Auf dieser Stufe dominieren Instinkte und Sicherheit wird als Glücksspiel betrachtet. Einige Beispiele für Merkmale auf dieser Stufe sind:
- Hohe Unfallhäufigkeit: Unfälle werden als unvermeidbar angesehen.
- Mangelnde Verantwortung: Mitarbeiter fühlen sich nicht für Sicherheit verantwortlich.
- Zufallsorientiert: Sicherheit wird als Glücksspiel betrachtet, sie passieren einfach und es ist halt so.
- Maßnahmenableitung: Sehr sehr wenige. Meistens nur durch die SiFa (z.B. in Sicherheitsbegehungen)
- Sicherheitsfachkraft: Wird als “nerviger” Aufpasser wahrgenommen.
Stufe 2: Abhängigkeit von Regeln und Überwachung
Hier wird versucht Arbeitssicherheit durch Regeln und Überwachung zu gewährleisten. Typische Charakteristika sind:
- Regelbasierte Sicherheit: Die Einhaltung von Regeln steht im Vordergrund.
- Führung durch Überwachung: Regeln werden durch Überwachung und Aufsicht durchgesetzt. Führungskräfte bekommen Ziele zur Reduktion der Arbeitsunfälle.
- Externe Motivation: Mitarbeiter handeln, um Strafen zu vermeiden und verhalten sich regelkonform, solange sie unter Beobachtung stehen.
- Maßnahmenableitung: Werden i.d.R. durch die Führungskräfte abgeleitet. Kein Wunder, sie haben das ja als Ziel erhalten.
- Sicherheitsfachkraft: Will alles nur mit Regeln und Kontrollen aufrecht erhalten.
Stufe 3: Unabhängige Verpflichtung zur Sicherheit
Auf dieser Stufe übernehmen Mitarbeiter persönliche Verantwortung aus Überzeugung. Zu den Merkmalen gehören:
- Persönliche Verpflichtung: Mitarbeiter übernehmen Verantwortung und erkennen die Auswirkungen auf ihre Gesundheit an.
- Selbstmotivation: Sicherheitspraktiken basieren auf innerer Motivation und jeder glaubt an das Ziel “0 Arbeitsunfälle”
- Verständnis der Auswirkungen: Mitarbeiter verstehen, wie Sicherheit ihre persönliche Gesundheit beeinflusst und welches Verhalten hilfreich dabei ist.
- Maßnahmenableitung: Jeder leitet Maßnahmen ab, jedoch i.d.R. nur für sich selbst.
- Sicherheitsfachkraft: Ist ein Multiplikator, Coach und Moderator, um unterschiedliche Meinungen und Kooperation zu fördern. Wird als Unterstützer für dieses Thema gesehen und geschätzt.
Stufe 4: Wechselseitige Sicherheitskultur als Team
Die höchste Stufe betont gemeinsame Verantwortung und Verpflichtung im gesamten Team. Hier findet man:
- Geteilte Verantwortung: Mitarbeiter erkennen an, dass Sicherheit das gesamte Team betrifft und alle aufeinander aufpassen sollen.
- Kollektive Verantwortung: Das Team arbeitet zusammen, um Sicherheitsstandards aufrechtzuerhalten, diese dann gemeinsam zu verbessern und sich so zum Best in Class zu entwickeln.
- Gemeinsame Werte: Sicherheit ist ein integraler Bestandteil der Unternehmenskultur und wird von allen Mitarbeitenden so auch gelebt.
- Maßnahmenableitung: Im Team werden hilfreiche und sinnvolle Maßnahmen abgeleitet.
- Sicherheitsfachkraft: Ist nun ein Netzwerker und bringt Ideen und Menschen zusammen, die sich für dieses Thema interessieren. Alle Führungskräfte sind von der Haltung und der Sichtweise her wie eine Sicherheitsfachkraft selbst.
Schlüsselpunkte zur Weiterentwicklung der Arbeitssicherheitskultur
- Motivation und Sicherheit: Motivierte Mitarbeiter identifizieren sich stärker mit der Organisation, was zu mehr Verantwortung und weniger Unfällen führt.
- Menschliches Verhalten und Unfälle: Über 85% der Arbeitsunfälle sind auf menschliches Verhalten zurückzuführen und alle wissen es und sprechen sich deshalb auch aktiv an.
- Kulturelle Entwicklung: Der Fortschritt in den Stufen reduziert die Unfallhäufigkeit, wobei in den höheren Stufen leichter Fortschritte gemacht werden. Wir fördern und initiieren Veränderungen über die Haltung und nicht mehr nur über äußere und sichtbare Elemente (Regeln, Verstöße, Anweisungen).
- Bewertung und Verbesserung: Unternehmen können die Bradley-Kurve nutzen, um ihre Sicherheitskultur zu bewerten und Verbesserungsbereiche zu identifizieren.
Anwendbarkeit in der Baubranche
Die Bradley-Kurve, ursprünglich für die Industrie entwickelt, ist auch in der Baubranche von entscheidender Bedeutung. Betrachten wir die Anwendbarkeit anhand der Stufen:
Stufe 1: Reaktives Verhalten (Instinktbasierte Sicherheit) In der Baubranche könnte dies bedeuten, dass Sicherheitsvorschriften als Hemmnis betrachtet werden und Unfälle als unvermeidlich gelten. Jeder kann mal stolpern oder ausrutschen. Dagegen kann man ja nichts machen.
Stufe 2: Abhängigkeit von Regeln und Überwachung Baufirmen könnten auf dieser Stufe Sicherheit hauptsächlich durch strikte Einhaltung von Vorschriften und Überwachung gewährleisten. Vor jedem Einsatz eine Unterschrift, um auch wirklich zu bestätigen, dass alles eingehalten wird.
Stufe 3: Unabhängige Verpflichtung zur Sicherheit Mitarbeiter könnten auf dieser Stufe persönliche Verantwortung für ihre Sicherheit übernehmen und verstehen, wie ihre Handlungen das Wohlergehen ihres Teams beeinflussen. Jeder fragt sich selbst: “Was muss ich heute beachten, damit mir nichts passiert?”.
Stufe 4: Wechselseitige Sicherheitskultur In dieser Stufe würde die Baubranche eine Kultur erleben, in der gemeinsame Verantwortung und geteilte Werte die Grundlage für Sicherheitspraktiken bilden. Alle Kollegen z.B. auf der Baustelle achten nicht nur auf sich selbst, sondern auch auf alle anderen und sprechen Auffälligkeiten direkt an. Jeder passt auf jeden auf!
Anwendbarkeit für einen kleineren Handwerksbetrieb
Kleinere Handwerksbetriebe könnten ebenfalls von der Bradley-Kurve profitieren, indem sie:
- Stufe 1 überwinden: Sicherheit als grundlegende Priorität etablieren und nicht dem Zufall überlassen.
- Stufe 2 erreichen: Klare Sicherheitsregeln implementieren und eine Überwachung einführen, um die Einhaltung zu gewährleisten.
- Stufe 3 anstreben: Mitarbeiter ermutigen, persönliche Verantwortung zu übernehmen und die Auswirkungen ihrer Handlungen zu verstehen.
- Stufe 4 anstreben: Eine Kultur fördern, in der Sicherheit von allen geteilt wird und aktives Ansprechen ausdrücklich gewünscht ist, um Unfälle gemeinsam zu minimieren.
Fazit: Die Bradley Kurve als Wegweiser für eine nachhaltige Sicherheitskultur
Die Bradley-Kurve bietet nicht nur eine Möglichkeit zur Bewertung der Arbeitssicherheitskultur, sondern auch einen klaren Pfad zur Verbesserung. Durch den Fokus auf menschliches Verhalten legt sie den Grundstein für eine nachhaltige Sicherheitskultur. Unternehmen, die die Prinzipien der Bradley Kurve anwenden, können nicht nur Unfälle reduzieren, sondern auch eine Umgebung schaffen, in der Mitarbeiter aktiv zur Arbeitssicherheit beitragen.
Dieser interessante Ansatz ist aus meiner Sicht überall anwendbar, denn die Stufe sind allgemein gültig und sind sogar übertragbar auf andere Dimensionen, die in einer Weiterentwicklung einer Unternehmenskultur im Fokus stehen könnten.
Wir wissen ja auch, dass wir viele Unfälle vermeiden könnten, wenn wir die Mitarbeitenden richtig befähigen und ihnen z.B. die Unfallpyramide so vermitteln, dass es als ein hilfreiches Modell verstanden wird.
Wir können auch noch das Bewusstsein für Arbeitssicherheit steigern, indem wir alle Mitarbeitenden sensibilisieren und den Blickwinkel erweitern.
Sie sehen also, es gibt viele Ansätze, um dieses Thema zu verbessern und die Arbeitssicherheit auf ein ganz neues Level zu bringen. Falls Sie nach einem ganzheitlichen Konzept zur Befähigung und Optimierung der Arbeitssicherheit im Betrieb suchen, dann melden Sie sich bei mir und wir entwickeln ein nachhaltiges System für und mit Ihren Mitarbeitenden.
Ich unterstütze Sie sehr gerne dabei.